Die Ausstellung anlässlich der Wuppertaler Interkultur-tage 2005 versammelt collagierte Bilder und plastische Zeichnungen aus den Jahren 1997 bis 2005 sowie Installationen oder – wie die Künstlerin die raumfüllenden Arbeiten selbst nennt – „Konstruktionen“ und Objekte aus den letzten sieben Jahren. Am Anfang der Präsentation in der schönen, aber keineswegs musealen Halle steht eine Konstruktion, die auf die erste Ausstellung in Wuppertal 1987 in der Galerie Brusten verweist: das aus dem sich langsam drehenden Gerüst der frühen „Karusselle“ (1987–1989) sowie der aus Draht und Ästen geformten Raumzeichnung „The Trap“ (Washington 2004) entwickelte „Linienkarussell II“ macht erneut die Bedeutung von Bewegung für das Verständnis des Werkes von Susanne Kessler kenntlich: durch Bewegung sprengten um 1987 Farben, Formen und Linien die starren Grenzen des Bildes, um die Teilhabe der Kunst an der evolutionären Bewegung der Natur zu bekunden. Dementsprechend verweisen die „Amphibischen Zeichnungen“ und die aus Nessel und Teerfarbe geschaffenen Zeichnungen von Schnecken motivisch auf wichtige Übergangsformen der biologischen Evolution und vermitteln zugleich formal zwischen den großen, aus zahlreichen Collageschichten hervorgebrachten Bildern und den Installationen. Die fünf Installationen scheinen alle gemeinsam zu haben, dass sie besondere „Orte“ hervorbringen, die der landläufigen Vorstellung eines Ortes als einer „Gruppe von Körpern“ (A. Einstein) zu widersprechen scheinen: Die kleinen, an afrikanische Siedlungen erinnernden Lehmhäuschen, die der Kunstaktion „Wenn die Flüsse rückwärts fließen“ (Dresden 1998) entstammen, wurden auf Rolluntersätze montiert. Der durch sie gebildete Ort im Raum erweist sich als provisorisch und temporär.

Sowohl der Raum des „Linienkarussells II“ als auch der der durch einen zusätzlichen „Baldachin“ modifizierten „Spiegeldrahtzellen“ (Landau 2001, Hamm 2002, Altena 2005) erweist sich als vollkommen unzugänglich. Zugleich wird er durch seine visuelle Offenheit und – vor allem bei den spiegelnden Drahtzellen – durch virtuelle Räume in einem besonderen Maße aktualisiert. Ähnliches gilt für den Tisch, auf dem Susanne Kessler die großen Raumzeichnungen „Capriccio“ aus dem Jahr 2004 präsentiert. Der Tisch als Ort heimischer Versammlung wird durch die sperrigen Draht-Ast-Gewebe okkupiert und zu einem Sockel, der zwischen Industriearchitektur und naturhaftem Gebilde vermittelt, umgedeutet. Das erstmals gezeigte „Survival Kit“ (2005) besteht aus einem großen Schirm aus Nesselstoff und den „Soft Grids“ aus der Installation „Room of Evolution“ (Teheran 2003), in die kleine Strickleitern aus Drahtgeflecht eingenäht wurden. Auch der Ort, zu dem die Leiterchen hinzuführen scheinen, ist ein imaginärer, und doch breitet sich das sowohl an eine Qualle wie auch an die Schutzmantelmadonna erinnernde Gebilde so über dem Betrachterraum aus, dass man sich vielleicht als Teil jener künstlerisch in Gang gesetzten Evolutionsbewegung zu fühlen bereit ist.

 

Text zur Ausstellung „Susanne Kessler – Arbeiten im Zwischenraum“, Tony Cragg Hallen, Wuppertal, 2005